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Wie das Kaninchen vor der Schlange

Autor: Mario Dönnebrink


Wer kennt Sie nicht, die Redensart „Wie das Kaninchen vor der Schlange“? Diese umschreibt das Phänomen, dass ein Kaninchen sich angesichts einer großen Bedrohung einfach nicht mehr bewegt und wie gelähmt auf einen guten Ausgang der Situation hofft. Im Falle eines Angreifers, wie einer Schlange wissen wir jedoch, wie das ganze ausgeht.


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Die Redensart versucht insofern zu erklären, wie auch wir Menschen manchmal mit Bedrohungen oder allzu großen Herausforderungen umgehen – nämlich wie ein Kaninchen vor der Schlange: Gar nicht. Wir versuchen, wie gelähmt, die Situation auszusitzen. Und genauso wie in der Tierwelt schlägt auch bei uns Menschen die Realität brutal zu: Unterlassene Anpassungen, nicht durchgeführte aber notwendige Veränderungen, nicht eingeleiteter Wandel – ob auf persönlicher Ebene, Unternehmensebene oder Gesellschaftsebene – es liegt immer genau dieses typische Verhalten vor. Dabei wäre es zumeist einfach, Herausforderungen zu meistern, wenn man einfach früh genug reagiert. Das Kaninchen könnte einfach weglaufen und ein paar Haken schlagen – wir Menschen können notwendige Veränderungen einfach einleiten.


Aber genau das passiert oftmals nicht.


Ob als Gesellschaft vor dem Hintergrund der großen Transformationsherausforderungen – oder als Organisation im Unternehmen: Wir versuchen zu verdrängen, wegzuschauen, aufzuhalten, zu blockieren – und selbst wenn das nicht bewusst geschieht: Nur zu gern fallen uns tausend Gründe ein, warum „das alles nicht geht“.


Auf gesellschaftlicher Ebene nur ein Beispiel – die polarisierende Wärmepumpe: Lieber fragen wir uns, „wo der Strom denn herkommen soll?“ (Spoiler – er ist längst da) und ob ein Gesetz wohl ausreichend akribisch durchdacht und formuliert wurde (Spoiler: Es wurde über 4 Jahren lang sehr sorgfältig formuliert), als einfach mal zu machen und dabei zumeist schon in kurzer Zeit sehr viel Geld einzusparen und sich unabhängig von Öl- und Gas-exportierenden Ländern zu machen. In Ländern, in denen frühzeitig, weitsichtig und proaktiv gehandelt wurde und man deshalb keinen Nachholbedarf hat – das Umwälzungsmomentum also geringer ausfällt – lacht man uns Deutsche für dieses Verhalten aus. „Was ist bloß los mit Euch?“ wird aus den USA oder Dänemark gefragt. Manchmal frage ich mich, wie wir in diesen Zeiten sehr großer Veränderungen und Herausforderungen als Gesellschaft bestehen wollen, wenn wir schon bei so kleinen Themen derart überspitzt und aufgebracht reagieren.



Aber kommen wir lieber zur Unternehmensebene und zum einzelnen Menschen – damit kenne ich mich noch besser aus, als mit Politik und Gesellschaft 😉:


Auf der Unternehmensebene habe ich in vielen Gesprächen mit Top-Manager:innen und Führungskräften ebenfalls sehr häufig diese Situation erlebt. Manchmal sogar noch heftiger: Man saß nicht nur wie das Kaninchen vor der Schlange, sondern durch zu langes Zögern auch noch mit dem Rücken zur Wand. Unternehmen sind immer gezwungen, sich den beständigen Marktveränderungen anzupassen. Immer. Diese notwendigen Anpassungen müssen früh erkannt werden um die notwendige Zeit zu haben, Anpassungen in Ruhe durchzuführen. So das Idealbild. Meistens geht es allerdings dabei um kleinere eher evolutorische Schritte, um inkrementelle Veränderungen. Diese haben die meisten Unternehmen im Griff. Dann heißt es schnell: „Schaut mal, wie innovativ die sind. Immer wieder was neues und schon seit 20 Jahren am Markt.“


Ich muss diese Illusion leider zerstören: Das reicht langfristig nicht aus!


Aufgrund vieler Faktoren, wie immer schnellerer technologischer Entwicklung (siehe z.B. mooresches Gesetz), immer schnellerer Innovation, Multikrisen (und damit nicht nur Multibedrohungen, sondern auch Multichancen) und sich immer schneller durchsetzender globaler Megatrends mit oft dramatisch sich verändernden Konsumgewohnheiten sehen wir immer häufiger die Situation von umwälzenden Veränderungen und von Disruptionen. Megatrends benennen und beschreiben dabei komplexe, weltweit stattfindende Veränderungen und sind ein Modell für den Wandel der Welt. Megatrends sind dabei keine Veränderungen, die zukünftig stattfinden, sondern es sind gegenwärtig stattfindende große Umwälzungen. (Siehe https://www.zukunftsinstitut.de/dossier/megatrends/)


Und da hilft es nun mal nicht, zu sagen: Wird schon gutgehen, „diese KI-Zeugs wird sich bestimmt nicht durchsetzen“ oder „werden schon nicht so viele Vegetarier werden“, sondern eine frühzeitige Beschäftigung mit dem Thema – und wenn nicht frühzeitig dann ist übrigens immer JETZT der richtige Zeitpunkt – ein Willkommen-heißen der Veränderungen als Chance und damit das Abmildern der Bedrohung sind nun das Gebot der Stunde.


Ein gutes Beispiel dafür ist der Wursthersteller Rügenwalder Mühle, der frühzeitig erkannt hat, dass es sich bei Vegetarismus und Veganismus um Subtrends der anhaltenden Megatrends Gesundheit und Neo-Ökologie handelt, die unumkehrbar sind und große Teile der Konsument:innen im Kaufverhalten dramatisch beeinflussen wird. Still und heimlich hat der Hersteller zusätzlich ein großes Sortiment branchenführender vegetarischer und veganer Produkte geschaffen und ist z.B. das Risiko des Produkt-Kannibalismus eingegangen. Es sollte recht behalten, denn bereits 2020 wurde erstmals vermeldet, dass Rügenwalder Mühle zu mehr, als 50% seine Umsätze über Veggie-Produkte erzielt. Vor den blassen Gesichtern der damals abgeschlagenen Konkurrenz.


In der Softewarebranche sind die Pendants zum Veggietrend gleich mehrere Megatrends. Die Megatrends Konnektivität, New Work, Globalisierung, Sicherheit, Wissenskultur und Neo-Ökologie treiben ausgeprägt durch Subtrends wie z.B. Sharing Economy, Greentech, Plattformökonomie, Sicherheit, Crowdsourcing, Kollaboration oder künstliche Intelligenz die Entwicklung von Softwareprodukten massiv voran. Die in den 2010er Jahren einsetzende Bereitstellungsform „Cloud“ war und ist eine notwendige technologische Veränderung, die durchgeführt werden musste, um den neuen Anforderungen von User:Innen und Unternehmen / Organisationen gerecht zu werden. In dem Software-Unternehmen, in dem ich damals arbeitete, haben wir uns entgegen starker Widerstände rechtzeitig auf den Weg gemacht, so dass der oben beschriebene „Rügenwalder-Effekt“ zwischenzeitlich eingetreten ist.

Doch in Gesprächen mit vielen anderen Vorständen und Geschäftsführern hörte und höre ich nach wie vor oftmals das gleiche (und wenn nicht im Kontext Cloud, dann im Kontext KI, im Grunde lassen sich die Begriffe fast beliebig austauschen):

- das wir uns nicht betreffen

- Die Cloud wird erst in vielen Jahren kommen

- Das wird sich nicht in allen Branchen durchsetzen

- In Deutschland geht das nicht wegen des Datenschutzes

- Unser Geschäftsmodell lässt sich nicht in die Cloud übertragen

- Dann brechen uns aufgrund der Standardisierung zu viele Dienstleistungen weg

- Unsere Mitarbeiter:innen wollen das nicht

- Unser Management will das nicht

- ...

Mittlerweile setzt eine breite Entwicklung ein, die ich als Post-Leugnen- oder Post-Wegsehen-Phase bezeichnen möchte. Mittlerweile erlebe ich sehr häufig, wie die sich-nicht-aufhalten-lassende Veränderung akzeptiert wird, aber eine gewisse Lethargie einsetzt, die sich am besten mit der vermeintlichen Erkenntnis erklären lässt „man sei zu spät“ und nun lasse sich nichts mehr bewegen. Oft gepaart mit „die anderen wollen nicht“.


Dieses Verhalten ist zwar nachvollziehbar, aber letztlich falsch. Es hilft nicht dabei, das Problem zu lösen. Denn man hat es eigentlich immer mit dem gleichen Problem zu tun: Es geht immer nur darum, dass eine Umwälzung, eine disruptive Veränderung einsetzt. Passe ich mich nicht an, passt sie mich an. Es geht immer besser aus, wenn ich selbst steuern kann, also beginne ich, zu handeln.


Diese Erkenntnis konnte ich im Laufe der Jahre in meiner Arbeit an und in Unternehmen und in Gesprächen mit Manager:innen immer wieder gewinnen.

„Wenn Du anpackst, steuerst Du, gestaltest Du – und es wird immer besser, als Dinge einfach geschehen zu lassen“.

Und noch eine Erkenntnis hat mich im Laufe der Jahre immer gelassener werden lassen bei großen Veränderungsherausforderungen: Es müssen nicht 100% der Mitarbeiter:innen hinter der Veränderung stehen. Und man braucht auch nicht einen großen Teil der Belegschaft, um neue Services und Produkte zu kreieren. Nein, man benötigt nur ein paar Menschen, die Lust auf Veränderung und auf Fortschritt haben – ein paar Macher und ein paar Promotoren – um notwenige Veränderungs- oder Umwälzungsprozesse unumkehrbar in Gang zu setzen. Bei den globalen Megatrends sind es ja auch nicht 100% der Menschheit, die diese wichtigen und mit voller Wucht stattfindenden Veränderungen initiieren und durchführen.


Wir müssen also in den „Kaninchen-vor-der-Schlange“-Situationen uns immer bewusst machen, das wir handeln müssen. Wir müssen machen.


Neben Erkenntnisgewinn und strategischer Ausarbeitung müssen wir handeln.

Das Kaninchen muss weglaufen. Wir müssen neue Produkte und Services anbieten. Neue Software entwickeln. Neue Wurst kreieren. Neue Fortbewegungskonzepte erfinden, neue Wärmequellen installieren,...


Und was wir viel zu häufig vergessen:

Das Machen an sich und die neuen Dinge machen doch verdammt nochmal auch viel Spaß! Ich lade Sie deshalb herzlich ein, zu machen / zu handeln.


Und wenn Sie Unterstützung und Impulse dazu brauchen: Ich mache das gern 😉



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